Die letzten Kriegstage in Westönnen
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Ein beeindruckendes Dokument: 3 Mädchen aus Westönnen haben am 17. Dezember 1945 ein Gedicht geschrieben, und darin die letzten Kriegstage in Westönnen Revue passieren lassen. Sie schenkten das Gedicht ihren Eltern. Dieses Geschichtsdokument sucht in der näheren und ferneren Umgebung seinesgleichen. Wir drucken es hier ab:

Ostern munkelte man ringsumher
Der Tommy rückt uns immer näher.
Uns wurde schon ganz wirr im Kopf,
wir steckten ja mitten drin im Topf.
Wem sank da nicht wie uns der Mut?
Im Geiste sahen wir Westönnen in Feuer und Glut.
Ostern begann die große Hast.
Alles wurde weggeschafft.
Da gabīs kein Ostereiersuchen.
Wir fingen heftig an zu fluchen!
Ein Teil schlief Dienstags schon im Keller.
Für Hilde und mich kam das noch nicht auf den Teller.
Donnerstags morgen in der Früh`
Tante Maria laut schrie:
"Heinrich, Änne, sie kommen, gleich sind sie da,
Hört ihr das Schießen nicht? Das ist schon ganz nah!
Mit Wagen, Kindern, Onkel Franz und Decken
wollten sie sich in unserem Keller verstecken
Um 7 Uhr früh war das Mittagessen fertig,
dat geng man alle so harre wie dertig.
Nachmittags kamen deutsche Panzer nach hier.
Auch wir hatten einige in Quartier.
Am nächsten Morgen waren alle fort,
keinen deutschen Landser hatten wir mehr im Ort.
Und abends war es sehr ruhig geworden.
Durchīs Dorf ziehen wilde Russenhorden.
Vor denen waren wir deutlich bange,
saßen doch auch die mit uns in der Zange!
Tags darauf gabīs eine Rennerei,
das halbe Dorf zog an uns vorbei.
Manche mit Koffer, manche mit Wagen,
was gabīs denn da so schwer zu tragen?
Wo ging es hin, wenn wir das nur wüssten...
Da sagt uns einer, dass wir  zum Bahnhof müssten!
Die Waggons, sie würden leer gemacht.
Da fehlten wir nicht, das wär ja gelacht!

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Es gab ein Hetzen, ein Laufen, ein Jagen,
Hunderte wollten auf einmal in einen Wagen!
Töpfe, Papier, gar Mausefallen
Leder, Benzin, auch Stoffe in Ballen,
Bonbons, diese seltenen Leckerbissen,
um die haben sich die Gierigen gerissen,
und Waschpulver, diese raren Pakete,
zogen Menschenmengen heran wie Magnete!
Die Artillerie, die konnte man gut hören, 
doch ließ sich beim schrappen keiner stören.
Vom Bahnhof rannte man nach Loh,
da gab es Wolle, Mäntel und so!
Über Stiefel, Wäsche, Männersocken,
konnten wir innerlich frohlocken.
Hatten wir alles zusammengerafft,
wurden die Pakete nach Hause geschafft.
Dann gab es bei Post-Müller was zu kriegen.
Es sollten dort viele Aufnehmer liegen.
Besen, Bürsten und so weiter,
warf man in Bündeln vor die Leiter.
Unser Handwagen war hoch vollgepackt,
bald wäre er unterwegs geknackt.
Die Artillerie schoss nun wie doll,
jetzt müssen wir in den Keller, jawoll!
Die Nachbarschaft war da zugegen,
kaum konnte man sich da unten bewegen.
Was sollte das noch alles werden?
Es ist ein doller Kram auf Erden!
Kinder, Männer und die Frau`n,
schliefen im Kartoffelraum.
Die Damen schliefen allemal,
gemütlich auf Schlaraffia.
Engelbert, unser tüchtiger Held,
hatte den besten Platz gewählt:
Zwischen Mänteln, Anzügen und solchem Kram,
lag er traümend in der Badewann.
Wenn wir selig schliefen in der Nacht, 
haben uns die Kinder aus der Ruhe gebracht.
Eins war Bange, eins musste aufs Töpfchen, 
Es war auch zuviel für die kleinen Geschöpfchen.
So kam dann der Sonnabend, der denkwürdige Tag,
der brachte uns viel Ungemach.
Auf der Straße war kein Mensch zu sehen,
doch hin und wieder wagten wir nach oben zu gehen.
Da hängt die erste weiße Fahne, es ist soweit,
Ecken, hast Du das Bettuch bereit?
Ein Handtuch genügt, meintet der Papa
Macht nicht soviel Allotria.

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Während wir aufpassten hinter dem Haus,
sorgte Mutter für den Mittagsschmaus.
Am Nachmittag , oh dieser Schrecken,
konnten wir die ersten Amis entdecken.
Am Bahnhofsgebäude schlichen sie vorbei:
Erst kam einer, dann zwei, dann drei.
Mit Stahlhelm und aufgepflanztem Gewehr,
krochen sie an den Häusern her.
Los, Hannes, Du musst rüber gehen,
vor Deinem Hause Amis stehen.
Hannes schickte Heinrich los,
bei ihm war die Angst zu groß!
Den Schlüssel in der rechten Hand, 
die Hände hoch, so geht er dann.
Sich verbeugend tritt er auf sie zu,
und öffnet die Tür im Nu,
"Ist hier Soldat, ist hier Pistoll?
Wir müssen alles haben, woll!"
"Nee, nee, hier nicks", hört man ihn sagen,
"Wir dieses heute nicks mehr haben".
Die Schubladen wurden rausgerissen,
und alles durcheinandergeschmissen.
Ah, diese schöne goldene Uhr,
die suchten wir bei dir ja nur.
Fotoapparate, Ferngläser, Ringe,
auch Radios waren begehrte Dinge.
Viele mussten ihr Haus verlassen,
die Leute lagen auf den Gassen.
Man kroch zusammen, das musste gehen, 
konnte uns tags darauf schon das gleiche geschehen.
Erbärmlich war es anzusehen,
sahen wir die Panzer im Garten stehen.
Die ganze Saat war nun dahin,
doch hatte das Jammern keinen Sinn!
Die Hühner wurden gefüttert mit Schokoladī,
die waren eben mehr auf Draht...!?
Bier und Schnaps wurde von den Amis gesucht,
und fanden sie nichts, wurde tüchtig geflucht.
Abends gingīs wieder in den Keller hinein,
doch schliefen wir diesmal nicht so ruhig ein.
Die Artillerie schoss hinüber nach Werl,
vor unserem Haus patroullierte ein fremder Kerl,
Am nächsten Tag zogen die Amis fort,
und die Russen plünderten in unserem Ort.
Schweine und Kühe mussten sterben,
Dabei konnte kein Russki verderben.
Manch einer starb an Herzverfettung,
für den gab es auch keine Rettung.
Dann kamen neue Amis inīs Quartier,
die blieben lange Wochen hier.
Auch wir mußten für einige Wochen raus,
aus unserem geliebten Vaterhaus.
Einer wohnte hier, der andere da,
getrennt waren sogar Papa und Mama.
Heute endlich haben wir Frieden.
Wir können ruhig im Bettchen liegen,
nachts störīn uns keine Flieger mehr.

Friedlich ist es ringsumher.

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(fg)